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Licenses/NC/De

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Freiheit mit Fallstricken:
Die Creative Commons NC-Lizenzen und ihre Folgen
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Das Internet findet zu seinen Wurzeln zurück. Nachdem der Versuch, das Netz in eine Einkaufsstraße zu verwandeln, grandios gescheitert ist, stellen Wikipedia, Weblogs und GNU/Linux eindrucksvoll das Potenzial globaler Vernetzung unter Beweis. Langsam setzt sich auch in den Universitäten und Fachhochschulen die Erkenntnis durch, dass Forschung und Lehre aus der sofortigen und freien Verfügbarkeit von Ergebnissen großen Nutzen ziehen können. Um den freien Austausch von Inhalten zu ermöglichen, entscheiden sich mehr und mehr Urheber dazu, Lizenzen zu wählen, die Nutzern mehr Rechte einräumen als das klassische Urheberrecht.

Diese Entscheidung muss der Urheber explizit treffen, denn sonst gilt auch ohne Copyright-Vermerk der Schutz weit über die Lebzeiten des Urhebers hinaus. So muss man sich einen Großteil des Internet mit einem großen Copyright-Symbol versehen vorstellen, obwohl viele Urheber gegen eine Verbreitung ihrer Inhalte durchaus nichts einzuwenden hätten. Ein Problembewusstsein für diese Sachlage hat sich sehr früh im Bereich der Entwicklung freier Software ausgeprägt, da es sich dabei meist um gemeinschaftlich entwickelte Werke handelt. Ohne das verbriefte Recht auf Weitergabe und Derivate würde ein dezentrales Projekt wie GNU/Linux nicht funktionieren.

So hat sich für Open-Source-Software nach dem Copyleft-Prinzip die GNU General Public License (GNU GPL) als Quasi-Standard etabliert. Dazu trug mit der Free Software Foundation (FSF) das Vorhandensein einer kompetenten Organisation bei, die diese Lizenz fördert und pflegt. Doch in anderen Bereichen waren freie Lizenzen lange Zeit eine Ausnahmeerscheinung. Die 2001 gestartete freie Enzyklopädie Wikipedia legte sich mangels Alternativen auf die GNU Free Documentation License fest, eine von der FSF für Software-Handbücher entwickelte Lizenz mit zahlreichen Fußangeln (siehe etwa "Why You Shouldn't Use The FDL" von Nathanael Nerode und das vorläufige Positionsstatement des Debian-Projekts).

Lawrence Lessig, Rechtswissenschaftler und Visionär, kam für Wikipedia fast zwei Jahre zu spät. Im Dezember 2002 stellte das von ihm gegründete Projekt Creative Commons seine ersten Lizenzen vor und brachte damit endlich rechtliche Ordnung und Einheit in die Bewegung für freie Inhalte. Anstatt aus einer Vielzahl von im Netz verstreuten Lizenzverträgen den richtigen zu wählen oder gar selbst einen solchen zu formulieren, können Urheber über eine einfache Website die richtige Lizenz für ihre Zwecke finden. Dazu müssen sie lediglich einfache Fragen beantworten, etwa: "Kommerzielle Verwertung erlauben? Bearbeitung zulassen?"

Auf Knopfdruck gibt die Website eine der vom Creative-Commons-Team entwickelten Lizenzen aus. Dabei handelt es sich um rechtlich sichere, einfache Dokumente, die auf die rechtlichen Eigenheiten vieler Länder individuell abgestimmt, aber dennoch untereinander kompatibel sind. Es ist diese Einfachheit, die dazu beigetragen hat, dass mehr und mehr Urheber auch außerhalb der Software-Entwicklung sich dazu entschieden haben, den ihren Werken per Gesetz aufoktroyierten Schutz ganz oder teilweise aufzugeben.

Doch eine der von Creative Commons vorgesehen Optionen wird für die Verfechter freier Inhalte zunehmend zum Problem. Es handelt sich dabei um die Frage der kommerziellen Nutzung. Die Lizenzen mit dem Kürzel NC ("non-commercial") schließen eine solche Verwertung aus. Sie erfreuen sich bei Urhebern großer Beliebtheit, ohne dass Creative Commons auf die Konsequenzen dieser Entscheidung hinweist (Stand September 2005).

Viele Individuen und Institutionen werden die Lizenzwahl nur einmal treffen und nicht mehr revidieren. In Fällen gemeinschaftlich produzierter Werke kann dies sogar unmöglich sein, wenn einzelne Urheber ihre Zustimmung verweigern oder nicht kontaktierbar sind. Wenn Sie im Internet veröffentlichen (und das tun Sie bereits durch das Abschicken eines Kommentars in einem Blog) und eine Lizenz für freie Inhalte in Betracht ziehen oder bereits nutzen, sollten Sie sich deshalb über die Lizenzfolgen im Klaren sein.

Die Schlüsselprobleme von NC-Lizenzen sind:

  • Sie verursachen Inkompatibilität mit einer wachsenden Menge freier Inhalte, unabhängig davon, ob Sie als Urheber mit Derivaten oder Kompilationen einverstanden sind.
  • Sie schließen andere grundlegende Nutzungsarten aus, die Sie möglicherweise zulassen möchten.
  • Sie untermauern existierende, nahezu zeitlich unbeschränkte urheberrechtliche Schutzdauern.
  • Es ist unwahrscheinlich, dass sie dazu beitragen, den Gewinn aus Ihrem Werk zu steigern, und eine Share-Alike-Lizenz kann dem Ziel, Ihre Arbeit vor Ausbeutung zu schützen, in gleichem Maße dienlich sein.

Es mag Umstände geben, unter denen NC die einzige (und deshalb beste) verfügbare Option ist, aber die Anzahl dieser Umstände sollte mit der Evolution von Geschäftsmodellen für freie Inhalte abnehmen.

Inkompatibilität[edit]

Eine von über 6.000.000 Mediendateien, die sich im Wikimedia Commons finden, dem Medienarchiv der Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte. Alle Dateien im Commons müssen für kommerzielle Nutzung frei sein. Diese Illustration der Insektenanatomie von Piotr Jaworski steht unter der Creative Commons Attribution/Share-Alike Lizenz.

Freie Inhalte sind nicht länger eine Randbewegung, sondern werden täglich von Millionen genutzt. Wikipedia, eine von Freiwilligen aus dem Nichts aufgebaute Enzyklopädie, enthält mehr als 15 Millionen Beiträge in über 270 Sprachen und gehört zu den 10 beliebtesten Websites weltweit. Mit dem Wachstum nimmt auch die Integration in die Suchmaschinen zu. Google zeigt in der englischen Version Wikipedia-Antworten für Suchabfragen oben links an und durch die Integration des Wikipedia-Spiegels Answers.com oben rechts an. Andere Suchmaschinen, etwa Clusty.com, Web.de und Amazon.com (A9.com), integrieren die Wikipedia-Suche gleich direkt in ihre Benutzerschnittstellen.

Dieser Erfolg ist das Ergebnis von weniger als 5 Jahren Arbeit. Man muss nicht hellsehen können, um freien Inhalten eine erfolgreiche Zukunft zu bescheiden. Doch gerade um Nutzungen wie die genannte Suchmaschinenintegration zu ermöglichen, erlauben und fördern Websites wie Wikipedia die kommerzielle Nutzung von Inhalten. Wie wir sehen werden, gibt es zahlreiche wünschenswerte kommerzielle Nutzungsvorgänge. Schwerwiegender aber ist, dass eine NC-Lizenz die Nutzung Ihres Werkes in Wikipedia, Wikinews, Wikibooks und ähnlichen Projekten ausschließt, die eine liberale Lizenzpraxis und Philosophie verfolgen.

Ein Grund dafür ist, dass Lizenzen wie die GNU FDL der Wikipedia nach dem Copyleft-Prinzip arbeiten (in Creative-Commons-Terminologie "Share Alike" genannt). Derivate sind erlaubt, aber nur, wenn sie unter gleichen Bedingungen lizenziert sind. Gleichzeitig erlaubt die FDL eine kommerzielle Nutzung. Damit wird die Integration von NC-Inhalten unmöglich, da die Bedingungen der FDL nicht mehr auf das gesamte Werk angewandt werden können.

Dies gilt in gleichem Maße für die Creative-Commons-Lizenzen untereinander. So ist es etwa nicht möglich, Inhalte unter BY-SA (Autorennennung und "Share-Alike") mit BY-NC-SA zu kombinieren ("Share Alike heißt gleiches mit gleichem", wie es in einer Pressemitteilung des Projekts heißt).

Selbst, wenn die Lizenz es zuließe, ist die Kombination von Inhalten, die kommerzielle Nutzung erlauben und solchen, die sie verbieten, in einem gemeinschaftlichen Kontext praktisch fast unmöglich, ohne die Lizenzgrenzen zu verletzen. Stellen Sie sich eine Website vor, deren Text teilweise unter einer NC-Lizenz steht. Bei Kopier- und Bearbeitungsvorgängen ist es höchst wahrscheinlich, dass die Lizenz entweder verletzt wird, oder dass sie auf mehr und mehr Inhalte angewandt wird, um rechtlich auf der sicheren Seite zu bleiben.

Viele Netzgemeinschaften lehnen NC-Lizenzen schlicht aus philosophischen Gründen wie den hier genannten ab. Dazu gehört etwa Wikimedia Commons, das Medienarchiv der Wikipedia-Mutterorganisation Wikimedia. Es enthält mehr als 6.000.000 Dateien, erlaubt aber keine restriktiven Lizenzen wie die NC-Varianten. Im Gegensatz zu vielen Archiven ist die Wiki-Allmende lebendig. Jede dort vorhandene Datei kann unmittelbar in allen Wikimedia-Projekten, in allen Sprachen genutzt werden.

Auch die Open-Source-Gemeinde teilt die Philosophie, kommerzielle Nutzung zu erlauben -- schließlich beruht darauf ein großer Teil des Erfolges von GNU, Linux, Apache & Co. Sowohl die Open-Source-Definition als auch die Definition Freier Software schließen explizit den Verkauf und andere kommerzielle Nutzungsarten ein; Lizenzen, die diese Rechte beschränken, sind also in diesem Sinne nicht frei.

Natürlich kann ein Linux-Unternehmen ein NC-geschütztes Werk nicht kommerziell nutzen, aber auch nichtkommerzielle Projekte folgen diesem Standard. So heißt es in den Richtlinien für freie Software des Debian-Projekts: "Ein Bestandteil der Debian-Distribution darf durch seine Lizenz nicht verhindern, dass irgendjemand diese Software als Bestandteil einer Software-Distribution, die Programme aus den verschiedensten Quellen enthält, verkauft oder weitergibt." Debian GNU/Linux ist eine der beliebtesten Linux-Distributionen.

Wenn Sie möchten, dass Ihr Werk von der Open-Source-Gemeinde anerkannt wird, ist es also offensichtlich keine gute Idee, eine NC-Lizenz zu verwenden. Dies betrifft nicht nur Software, sondern alle Werke, die im Kontext dieser Projekte verwertet werden.

Die Entscheidung für eine NC-Lizenz ist für einen individuellen Urheber nicht bindend. So kann er etwa interessierten Verwertern auf Wunsch kommerzielle Nutzungsrechte einräumen. Nun könnte man vermuten, dass es ausreichen würde, ein Bild etwa zusätzlich zu NC auch "für Wikipedia" freizugeben und damit das NC-Problem zu vermeiden. Praktisch alle Communities, die nach den Prinzipien freier Inhalte operieren, lehnen solche Sondervereinbarungen ab, da sie Drittparteien schädigen: lokale Initativen, die den Inhalt in Schulen oder Lokalzeitungen nutzen möchten; Firmen, die DVDs oder gedruckte Exemplare verbreiten möchten; nützliche und lizenzkonforme Spiegel, die mit Werbung versehene Kopien der Inhalte verbreiten. Um keinen Zweifel zu lassen, verkündete Wikipedia-Gründer Jimmy Wales im Mai 2005, dass alle Dateien mit "Sondervereinbarungen" in den Wikimedia-Projekten verboten sind und gelöscht werden. Auch das Debian-Projekt würde sie aufgrund der Richtlinien gegen Diskriminierung ablehnen.

Netzgemeinden wie Wikimedia und Debian handeln nicht aus Eigennutz. Ihr Ziel ist es, der Menschheit freie Software und freies Wissen zur Verfügung zu stellen. Wenn Sie Ihre Inhalte unter einer Lizenz verfügbar machen, die von diesen Gemeinden anerkannt wird, werden sie dadurch am Leben erhalten. Sie ermuntern damit andere Menschen dazu, Ihr Werk in zahlreichen unterschiedlichen Kontexten zu verwenden. Das gilt nicht nur für inhärent gemeinschaftliche Schöpfungen; praktisch jedes denkbare Werk, das nachgefragt ist, lässt sich auch in einem kollaborativen Kontext inkorporieren, zitieren oder transformieren.

Grundlegende Nutzungsarten[edit]

Was ist kommerzielle Nutzung? Die relevante Klausel in den Creative Commons NC-Lizenzen für Deutschland, etwa die Lizenz "Namensnennung, Nicht-kommerziell 2.0" (BY-NC 2.0), lautet:

Sie dürfen die in Ziffer 3 gewährten Nutzungsrechte in keiner Weise verwenden, die hauptsächlich auf einen geschäftlichen Vorteil oder eine vertraglich geschuldete geldwerte Vergütung abzielt oder darauf gerichtet ist.

Viele Blogger und Blog-Gemeinden im Web nutzen Werbung, um Kosten zu decken und ein kleines persönliches Einkommen zu ermöglichen. Dazu gehören beliebte deutsche Blogs wie Der Schockwellenreiter, Spreeblick und IT&W. Selbst sehr kleine Blogs enthalten oft unauffällige Google-Textanzeigen, um ein Taschengeld zu verdienen. Andere Websites nutzen Abo-Modelle, um zusätzliche Funktionen und Inhalte verfügbar zu machen oder Werbung abzuschalten. Stellen Sie sich die Frage, ob Sie wirklich all diese Menschen davon abhalten möchten, Ihr Werk zu nutzen.

Ein anderes Beispiel kommerzieller Nutzung sind Zusammenstellungen. So ist es z.B. unter den Bedingungen der NC-Lizenzen nicht möglich, eine MP3-Datei unter NC gemeinsam mit Tausenden anderen, bei denen das Lizenzproblem nicht existiert, auf einer DVD zu verkaufen. Beachten Sie, dass nach den oben zitierten Bedingungen nicht der Umfang der Vergütung oder der Erfolg der Verwertung ausschlaggebend ist, sondern die Absicht des Lizenznehmers. Absichten sind natürlich schwer zu beweisen, so dass es selbst in Grenzfällen oft am besten ist, vorsichtig zu sein, um keinen Rechtsstreit zu riskieren. Selbst nach einer liberalen Lesart sind praktisch alle Verwertungen durch Unternehmen ausgeschlossen, etwa die Verbreitung einer Datei auf einer CD, die einer Zeitschrift beiliegt.

Urheberrechtliche Schutzdauer[edit]

Das internationale Urheberrecht ist in erster Linie das Ergebnis von massivem Lobbyismus durch etablierte Interessengruppen. Neben einer stetigen Erosion des Rechts auf Privatkopien haben Großunternehmen einen effektiv unendlich langen Schutz durchsetzen können, um Micky Maus und Donald Duck vor der Gemeinfreiheit zu bewahren. Ein Werk, das im Jahr 2010 veröffentlicht wird, bleibt bis ins Jahr 2100 geschützt, wenn der Urheber 2030 stirbt. Bei dieser trüben Aussicht ist die Möglichkeit retroaktiver Verlängerungen der Schutzdauer noch gar nicht in Betracht gezogen -- wie auch die retroaktiver Kürzungen, die es aber bisher nicht gegeben hat.

Es mag eine gute Tat sein, ein Werk unter einer NC-Lizenz zur Verfügung zu stellen. Doch es ist auch eine implizite Anerkennung der existierenden Schutzdauer. Das Verbot kommerzieller Nutzung bleibt bestehen, bis das Urheberrecht abläuft, was, aus praktischer Sicht, nie geschieht.

Um dieses Problem zu lösen, könnten Sie spezifizieren, dass Ihr Werk unter einer liberaleren Lizenz wie CC-BY (nur Autorennennung -- auf dieses Recht kann man in Deutschland nicht verzichten) freigegeben wird, nachdem eine gewisse Zeit abgelaufen ist, etwa 5 Jahre. Sie könnten aber auch einfach schon heute eine freiere Lizenz verwenden.

Gewinn[edit]

Die deutschsprachige Wikipedia-DVD ist ein Beispiel zweifellos sinnvoller kommerzieller Nutzung freier Inhalte, die unter einer NC-Lizenz selbst mit Sondererlaubnis gänzlich unmöglich wäre, da jeder Wikipedia-Autor dazu seine Zustimmung geben müsste.

Das offensichtlichste Argument für NC-Lizenzen ist, dass sie Ihre Arbeit vor gewerblicher Ausbeutung durch Dritte schützen. Zunächst ist es wichtig festzustellen, dass die Lizenz Ihnen keine neuen Machtmittel in die Hand gibt, sondern nur den rechtlich verbrieften Schutz des Werkes reduziert. Es gibt zahlreiche kommerzielle Wertschöpfungsszenarien, die von der Lizenz nicht berührt werden, da der Verwerter kein Lizenznehmer ist. Das beinhaltet etwa Schulung und Support, Dokumentation, Kommentierung und Zitate.

Was verbleibt, ist die Verbreitung des Originals oder von Derivaten. Beachten Sie jedoch, dass mit den heutigen technischen Mitteln die Massendistribution von Informationen nicht mehr die exklusive Domäne großer Unternehmen ist. Jeder, der über eine Internet-Verbindung oder einen DVD-Brenner verfügt, kann Dateien an Tausende verteilen. Kostenlose Hosting-Dienste gibt es in großer Zahl, werbefreies kommerzielles Hosting ist zu Niedrigpreisen verfügbar, und selbst gigantische Dateien lassen sich mit Peer-to-Peer-Systemen wie BitTorrent sehr effizient verteilen. Geben Sie sich deshalb nicht der Illusion hin, dass Sie für Ihr Werk, wenn Sie es unter NC-Lizenz weitergeben, noch eine künstliche Knappheit aufrecht erhalten können. Wenn es eine Nachfrage nach dem Werk gibt und es von hoher Qualität ist, wird es kostenlos im Internet verfügbar sein -- weil die Lizenz dies legal möglich macht.

In dem Moment, in dem Sie sich für eine Creative-Commons-Lizenz entscheiden, entscheiden Sie sich, Ihr Werk kostenlos abzugeben. Ein Markt für ein Werk, das vollständig kostenlos verfügbar ist, kann nur auf der Basis von Unwissenheit oder guten Absichten entstehen. Das Potenzial, finanziell von der Distribution von Inhalten auf physikalischen Medien zu profitieren, ist heute relativ gering. Dort, wo es noch existiert, ist es bereits im Verschwinden begriffen. So lösen etwa elektronische Musikläden wie Apple iTunes die Musik-CD ab und verlagern damit den Verkauf von proprietärer Musik ins Internet, wo der Verbraucher dann auch NC-lizenzierte Musikstücke mit Leichtigkeit herunterladen kann, ohne dafür zu bezahlen.

Diejenigen, die am ehesten von NC-Lizenzen geschädigt werden, sind Nutzer, deren Gewinnmargen sehr gering oder nicht vorhanden sind: kleine Weblogs, Podcaster, werbefinanzierte Radiosender, Lokalzeitungen.

Um substanziellen Profit mit Ihrem Werk zu erwirtschaften, wird eine Firma mehr als die frei verfügbaren Inhalte bereitstellen müssen. Eine NC-Lizenz stoppt jeden Versuch, mit solchen inhaltlichen Ergänzungen Geld zu verdienen. Doch mit den Share-Alike-Lizenzen gibt es eine Alternative. Im Stil der GNU GPL müssen hier auch Derivate vollständig frei lizenziert werden. (Dagegen garantieren die Creative-Commons-Lizenzen ohne die Share-Alike-Klausel nur, dass der freie Bestandteil des Derivats auch frei bleiben muss.)

Eine Firma, die Ihre Arbeit gewerblich verwerten möchte, muss also wie bei GPL-Software auch neu hinzugekommene Informationen oder qualitative Verbesserungen frei verfügbar machen. So kann aus dem Risiko der kommerziellen Ausbeutung eine große Chance werden.

Im Bereich der Open-Source-Software funktioniert dieses Prinzip sehr erfolgreich und konnte auch vor Gericht behauptet werden. Viele Firmen integrieren zum Beispiel angepasste Versionen des Linux-Kernels in hochintegrierten Endgeräten wie Mobiltelefone und PDAs. Diese Kernel-Anpassungen können wiederum vom Entwicklerteam in den offiziellen Code aufgenommen werden. Stünde der Kernel unter einer NC-Lizenz, wäre der gewerbliche Einsatz von Linux unmöglich (auch Einzelfallzustimmung wäre praktisch aufgrund der hohen Zahl von Entwicklern kaum realisierbar). Das Copyleft- bzw. ShareAlike-Prinzip ermöglicht sinnvolle kommerzielle Investitionen und schützt dabei den Gemeinschaftsgedanken.

Ein anderes interessantes Beispiel kommerzieller Nutzung freier Inhalte ist die DVD-Version der deutschsprachigen Wikipedia. Produziert und vertrieben wird sie von der Berliner Firma Directmedia, die durch ihre "Digitale Bibliothek" literarischer Klassiker berühmt geworden ist. Innerhalb kurzer Zeit wurde die Wikipedia-DVD in Amazon.de zum Beststeller in der Software-Kategorie, nicht zuletzt dank des niedrigen Preises von 9,90 Euro. Directmedia verpackte die Wikipedia-Inhalte in einer eigenen Software mit speziellen Suchfunktionen, die den einfachen Offline-Einsatz ermöglichen.

Um diese DVD zu produzieren, musste Directmedia mit den Wikipedianern zusammen arbeiten. Die halfen fleißig mit, die Daten durchsuchbar und sortierbar zu machen und unfertige Artikel auszusieben. Im Gegenzug spendete Directmedia für jede verkaufte DVD einen Euro an die Wikimedia-Stiftung. Außerdem half die Firma dem Wikimedia-Medienarchiv mit einer "Bildspende" von 10.000 Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke.

Das Geschäftsmodell der Wikipedia-DVD funktionierte, weil mit der vorher nicht vorhandenen Lesesoftware ein zusätzlicher Nutzen geschaffen wurde und die Inhalte für die Publikation aufpoliert wurden. Das zeigt auch, dass neben dem Copyleft-Prinzip jede erfolgreiche kommerzielle Nutzung freier Inhalte auch von den guten Absichten beider Seiten abhängt. Ein weiteres Beispiel dafür ist Answers.com, eine werbefinanzierte Website für Referenz-Informationen, die unter anderem Wikipedia-Inhalte integriert. Die Mutterfirma GuruNet hat Wikimedia bereits mehrfach finanziell unterstützt -- etwa durch die Bezahlung eines fest angestellten Software-Entwicklers und als einer der Sponsoren der Wikimedia-Konferenz Wikimania. Alle diese Leistungen wurden freiwillig erbracht, halfen aber, freundschaftliche Beziehungen zwischen den Projekten zu etablieren.

So kann kommerzielle Nutzung beiden Parteien helfen. Das Copyleft-Prinzip, das von den Creative-Commons-Lizenzen mit Share-Alike-Klausel verkörpert wird, bietet ausreichenden Schutz vor Ausbeutung, ohne kommerzielle Experimente zu verbieten. Diese Experimente sind jedoch absolut notwendig, wenn echte, innovative Geschäftsmodelle für freie Inhalte entstehen sollen. Ganz besonders im Fall gemeinschaftlicher Inhalte machen die NC-Lizenzen solche Experimente praktisch unmöglich, da für Ausnahmeregelungen jeder einzelne Autor seine Zustimmung geben müsste.

Ein weiterer Faktor, den jeder Urheber berücksichtigen sollte, ist die Durchsetzbarkeit der Lizenz. Das betrifft vor allem kleine Lizenzverletzungen. Dafür, dass dies selbst im Falle liberaler Lizenzen nicht trivial ist, ist Wikipedia wiederum ein gutes Beispiel. Um die GNU Free Documentation License nicht zu verletzen, müssen Nutzer von Wikipedia-Inhalten nach Interpretation der Wikimedia-Stiftung einen Verweis auf die Originalkopie auf den Wikimedia-Servern und deren Artikelgeschichte setzen und außerdem darauf hinweisen, dass die Artikel unter der GNU FDL lizenziert sind. Das ist ein Kompromiss, um die komplexen Anforderungen der FDL zu erfüllen.

In der Praxis zeigt ein kurzer Blick auf die Liste von Wikipedia-Spiegeln, dass sich sehr viele mit Werbung versehene Spiegel nicht an diese Regelung halten. Während das Verhalten der Betreiber klar die Lizenz verletzt und somit illegal ist, ist es schwer zu bestrafen. Die Spiegel, die in vielen unterschiedlichen Ländern lokalisiert sind, werden oft mit minimalem Aufwand aufgesetzt, um mit Werbung Geld zu verdienen. Deshalb sind die Betreiber oft nicht auffindbar oder nicht bereit, Zeit zu investieren, um die Lizenzbedingungen einzuhalten.

Obwohl die Wikipedia-Gemeinde groß ist und über eine mit hinreichenden Finanzmitteln ausgestattete Mutterorganisation mit Vertretungen in vielen Ländern verfügt, ist es klar, dass selbst einfache Lizenzbedingungen für freie Inhalte oft nur schwer durchsetzbar sind. Fragen Sie sich also, ob Sie wirklich willens und in der Lage sind, Verletzungen einer NC-Lizenz zu verfolgen. Sonst treffen Sie mit der Beschränkung nur diejenigen, die sich an die Lizenz halten -- Nutzer, die wahrscheinlich ohnehin für eine freundschaftliche Kooperation offen wären.

Es ließe sich entgegnen, dass man Suchmaschinen-Spammern nicht ganz legal in die Hände arbeiten sollte. Darauf gibt es zwei Antworten. Zunächst einmal haben Sie als Urheber ganz unabhängig von der von Ihnen gewählten Lizenz die Möglichkeit, Ihre Gefühle und Erwartungen, was die Nutzung ihres Werkes angeht, deutlich zu machen, ohne dabei rechtlich bindende Vorschriften zu machen. Sie können schlicht jede Zusammenarbeit mit Menschen verweigern, deren Handeln Ihren persönlichen Wertvorstellungen widerspricht, oder dieses Handeln offen verurteilen.

Die zweite Antwort ist, dass alle Formen von Spam Schwächen in der Kommunikations- und Informationsinfrastruktur repräsentieren. Die meisten der heutigen Suchmaschinen verwenden immer noch den relativ primitiven Ansatz, alle im Netz verfügbaren Inhalte zu indexieren. Damit liefern sie den Anreiz, das Web mit Kopien von freien Inhalten zu überfluten, um profitable Positionen in den Ergebnislisten und viele Treffer zu erzielen. Es erscheint unklug, die Entscheidung für oder gegen eine freie Lizenz von den Schwächen heutiger Suchmaschinentechnologie abhängig zu machen.

Schlussfolgerungen[edit]

Für Urheber[edit]

Die Entscheidung für eine NC-Lizenz ist selten ideologisch oder ökonomisch rechtfertigbar. Sie schließt eine Gruppe von potenziellen Lizenznehmern aus, die sich aus freien Wissensgemeinschaften und Archiven, kommerziellen Publikationen, Herstellern von Kompilationen und vielen anderen zusammensetzt. Dabei verhindern Sie mit großer Wahrscheinlichkeit bereits durch die Entscheidung, Ihr Werk kostenlos abzugeben, die kommerzielle Nutzung im großen Stil. Dies trifft umso mehr auf Regierungen und Bildungseinrichtungen zu: Inhalte, die von großem kulturellen oder wissenschaftlichen Wert sind, sollten unter Lizenzbedingungen verfügbar sein, die eine breite Nutzung ermöglichen. Leider sind es gerade diese Institutionen, die sich aus Tradition und Skepsis oft für NC-Lizenzen entscheiden.

Die Erteilung von Sondergenehmigungen ist selten ausreichend, während der wesentliche Vorteil freier Lizenzen ausgehebelt wird: die Suche nach sofort nutzbaren freien Inhalten für Menschen und Maschinen gleichermaßen so reibungslos wie möglich zu gestalten.

Als Urheber könnten Sie natürlich argumentieren, dass Sie erst einmal abwarten möchten, ob überhaupt irgend jemand ein Interesse an der Nutzung Ihrer Werke unter einer liberalen Lizenz hat. In der Praxis dürfte es jedoch selten der Fall sein, dass die von Ihnen bereit gestellten Inhalte so einzigartig und bedeutsam sind, dass die Vorstellung, sie nicht zu nutzen, undenkbar ist. Menschen neigen dazu, des Weg des geringsten Widerstandes zu beschreiten, ganz besonders in Online-Gemeinschaften aus Freiwilligen.

Es mag Fälle geben, in denen Sie sich diese Reibung durchaus wünschen, da Sie die Nutzung ihres Werkes nachvollziehen und mit Lizenznehmern ins Gespräch kommen möchten. Um dies zu erreichen, können Sie aber auch eine schlichte Klausel hinzufügen, etwa: "Es steht Ihnen frei dieses Werk in jeder Form zu nutzen, solange Sie mich als Autoren nennen. Gerade bei Nutzungen in einem größeren Maßstab würde ich mich aber freuen, von Ihnen zu hören."

Mit einem Vorschlag wie diesem reduzieren Sie Reibungsverluste, definieren aber gleichzeitig Ihre Erwartungen. Der Missachtung dieser Erwartung können Sie auf der sozialen Ebene Rechnung tragen. Damit bringen Sie auch eine Tatsache zum Ausdruck, die nicht zuletzt das Wikipedia-Projekt unter Beweis gestellt hat -- dass die meisten Menschen im Kern versuchen, das Richtige zu tun. Durch die Zusammenarbeit in freien Gemeinschaften ist es möglich, moralisch fragwürdigem Verhalten mit Aufklärung oder Ausgrenzung zu begegnen, ohne dass ein einziger Rechtsanwalt auf den Plan treten muss. Zusätzlich können technische Verfahren, die den Weg von Inhalten durch das Netz aufzeichnen, verbessert werden. In Weblogs werden bereits heute über den so genannten TrackBack-Mechanismus die Pfade von Blog-Nachrichten verfolgt.

Durch ein Verbot kommerzieller Nutzung Ihrer Inhalte ohne Sondergenehmigung positionieren Sie sich am Ärmelsaum der freien Wissensgesellschaft, wo es eher um Freibier als um Freiheit geht. Eine wachsende Zahl von Menschen steht bereit, freie Inhalte zu sammeln, zu verbessern und zu vermischen. Durch die Entscheidung für eine NC-Lizenz riskieren Sie, dieses Potenzial zu verspielen, geben aber gleichzeitig die Chance auf, nach klassischen Vorstellungen geistigen Eigentums Geld zu verdienen.

Wenn Sie sich trotz allem gezwungen sehen, eine NC-Lizenz zu nutzen, sollten Sie zumindest die klassische urheberrechtliche Schutzdauer in Frage stellen. Ein einfacher Vermerk, dass ab einem bestimmten Datum eine liberalere Lizenz gilt, genügt. Ansonsten bleibt Ihr Werk noch lange nach ihrem Tod unter staatlichem Schutz.

Freie Inhalte befinden sich ständig im Fluss, wachsen zusammen und schlagen Wellen. Im Ozean des freien Wissens bildet das Copyright die Kontinente, schwerfällige Landmassen, auf denen sich nichtsdestotrotz eine große Vielfalt von Leben entwickelt hat. Lizenzen, die einerseits eine freie Verbreitung erlauben, andererseits aber die kommerzielle Nutzung verbieten, repräsentieren einsame Inseln, gehören weder zur alten noch zur neuen Welt. Trauen Sie sich, in den Ozean einzutauchen. Denn alles Leben kommt aus dem Wasser.

Für Lizenznehmer[edit]

Wenn Sie im Netz ein interessantes Werk finden, das unter eine NC-Lizenz verfügbar ist, sollten Sie zunächst dem Urheber Ihre Dankbarkeit für die mutige Entscheidung übermitteln, seine Arbeit kostenlos abzugeben. Gleichzeitig können Sie aber auch zum Ausdruck bringen, dass Ihnen eine freie Lizenz wie CC-BY oder CC-BY-SA lieber wäre und dabei auf dieses Dokument Bezug nehmen.

Strategisch macht es Sinn, systematisch Individuen und Organisationen ausfindig zu machen, die große Mengen von Inhalten unter NC-Lizenzen zur Verfügung stellen, und sie davon zu überzeugen, die Lizenzbedingungen zu ändern. Zumindest könnte auf diesem Wege langsam ein Problembewusstsein entstehen.

Für Creative Commons[edit]

Creative Commons ist ein Projekt mit dem Ziel, Lizenzentscheidungen so einfach wie möglich zu gestalten. Daher hat Creative Commons eine Verantwortung, seine Nutzer über die Folgen von Lizenzen, die eine kommerzielle Nutzung verbieten, zu informieren. Viele, die sich für eine NC-Lizenz entscheiden, sind sich nicht darüber im Klaren, welche Implikationen damit verbunden sind. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn bei der Lizenzauswahl eine Zusammenfassung wie die folgende eingeblendet werden könnte:

"Bitte beachten Sie, dass ein Verbot kommerzieller Nutzung dazu führt, dass Ihr Werk nicht von Online-Communities genutzt werden kann, die ihre Arbeit unter weniger restriktiven Lizenzen zur Verfügung stellen. Dazu gehören große Wissensgemeinschaften wie die Enzyklopädie Wikipedia, aber auch einige Open-Source-Distributionen und große Medienarchive. Die Entscheidung für eine solche Lizenz führt auch dazu, dass alle kommerziellen Nutzungsarten ohne Sondererlaubnis jedes beteiligten Urhebers unmöglich werden, unabhängig vom Umfang der kommerziellen Vergütung. Die Option "Share-Alike" reduziert das Risiko kommerzieller Ausbeutung, da Derivate vollständig unter einer freien Lizenz verfügbar gemacht werden müssen. Gleichzeitig erlaubt sie grundsätzlich die kommerzielle Nutzung und führt zu weniger Kompatibilitätsproblemen. Lesen Sie diesen Artikel für eine detaillierte Analyse der Problematik.

Es wird schwer sein, Urheber davon zu überzeugen, dass die intuitiv nahe liegende Option, kommerzielle Nutzung zu verbieten, komplexe negative Folgen nach sich ziehen kann. Es bleibt zu hoffen, dass Creative Commons sich an dieser Anstrengung beteiligt.

Erik Möller 2005. Dieser Artikel ist gemeinfrei und kann beliebig genutzt werden. Da es nach deutschem Recht nicht möglich ist, die Urheberschaft für eigene Veröffentlichungen gänzlich aufzugeben, ist der Text nominell außerdem unter der Creative-Commons-Lizenz CC-BY in Version 2.5 lizenziert. Eine lebende, editierbare Version dieses Dokuments ist unter http://freedomdefined.org/Licenses/NC/De verfügbar. Es steht Ihnen frei, diese Notiz wieder zu geben.